Getreidemühle im 20. Jh.

Getreide ist der Begriff für die heimischen Süßgräser, die wegen ihrer Körnerfrüchte ein Grundnahrungsmittel des Menschen und für Nutztiere sind. Dabei gibt es in Deutschland fünf verschiedene Getreidesorten:

 

   a) Dinkel

   b) Weizen

   c) Roggen

   d) Hafer

   e) Gerste

 

Ursprünglich wurde das Getreide mit einem Reibstein zerrieben. Diese Methode war sehr anstregend und ineffektiv. Aus dem gewonnen Schrot machten die Menschen oft Brei. Erst später gab es Handmühlen, wobei das Getreide zwischen zwei Steinen zerrieben bzw zerkleinert wurde. Die ersten Mühlen, die erst durch Menschen oder Tierkraft angetrieben wurden (Göpel), waren größer und wurden immer weiterentwickelt. Schließlich wurde die Arbeitskraft der Menschen und der Tiere durch die Nutzung der Wind- und Wasserkraft ersetzt.

Während des ganzen Mahlvorgang enstehen folgende Produkte:

Schrot

Schrot ist das grob zerkleinerte Getreidekorn, welches noch alle Bestandteile enthält.

Kleie

Schalenteile und Keimlinge, die im Lauf des Mahlens aussortiert werden, nennt man Kleie.

Grieß

Grieß entsteht nach dem entfernen der Kleie und weiterer Zerkleinerung.

Dunst

Dunst ist die Bezeichnung für körniges Mehl, welches aus der Weizenvermahlung hergestellt wird.

Mehl

Mehl ist das feinste Produkt und auch Endprodukt. 



Mahlvorgang

Annahme und Lagerung

Nachdem der Bauer seine Felder gedroschen hat, wird das Getreide zur Mühle geliefert, wie zum Beispiel zur Rengnathmühle. Dort wird zuerst das Getreide auf seine Qualität (d.h. wie alt, wie feucht oder trocken es ist) geprüft und gewogen. Außerdem hat das Getreide einen großen Anteil von Beimengungen (unerwünschter Besatz). Dabei unterscheidet man zwischen dem Kornbesatz (Bruchkörner oder Fremdgetreide) und dem Schwarzbesatz. Unter Schwarzbesatz sind Metallteile, Sand, Steine, Spelzen, Spreue, Wildkrautsamen oder Mutterkörner gemeint.  Dieser Besatz macht das Mehl mangelhaft, da es sich auf die Farbe und Backfähigkeit auswirkt. Des Weiteren kann es, wie im Falle des Mutterkorns, gesundheitsschädlich sein.

Um eine gute Qualität des Mehls zu garantieren, müssen alle Fremdkörper entfernt werden. Dazu dient der Aspirateur.

Reinigung

Bevor der Aspirateur das Getreide reinigt, entfernt ein Magnet eventuell vorhandene Eisenteile.

Schließlich fällt das Getreide auf das Schrollensieb, welches große Fremdkörper, wie zum Beispiel Steine, aussortiert. Danach bläst ein Gebläse Spreue oder Spelzen weg. Die Luft wird in die Filterschläuche der Filteranlagen (siehe unten) weitergeleitet. Die letzte Station im Aspirateur ist der Siebkasten, welcher in Schwingung ist. Die Löcher im Sieb sind so angepasst, dass das Getreide darüberrutscht und Schwarzbesatz, wie Sand, Bruchkörner, Samen, aussortiert werden.

Wildkörner, die etwa die gleiche Größe wie das Korn haben und deshalb nicht ausgesiebt wurden, müssen auch noch herausgelesen werden. Erst 1845 löste der französische Mechaniker Vachon das Problem mit der Erfindung des Trieurs, welcher sich unter dem Aspirateur in der dritten Etage der Rengnath-Mühle befindet. Der Trieur ist die zweite Reinigungsmaschine während des Mahlvorgangs.

In der Blechtrommel (Trieurmantel) sind Zellen (Vertiefungen) eingebaut. Durch die Drehbewegung der Trommel werden Wildkörner und Fremdkörper soweit hochtransportiert, dass sie in die Auffangmulde fallen. Die Größe der Rillen ist so angepasst, dass Getreidekörner nicht hineinpassen. Schließlich gelangen die Körner durch die leicht schräge Stellung der Trommel in die Schälmaschine.

Schälmaschine

Seit circa 1870 gibt es die Schälmaschine, die das Korn schält und somit von Holzfaserteilen befreit.

Diese Maschine hat im Inneren eine Schmirgelschicht mit einem sich drehenden Lochsiebmantel. Durch das Sieb wird das Getreide an der rauen Innenseite entlang-bewegt und schließlich geschält. Die Schalen werden mit einem nachgeschalteten Druckschlauch-Filter entsorgt. Dannach wird der Mahlvorgang mit den Walzenstühlen fortgeführt, nachdem das gereinigte Korn im Vorratsbehälter zwischengelagert wird.

Vorratsbehälter

Das geschälte Getreide wird nun im Vorratsbehälter zwischengelagert, bevor das Gut weiter transportiert wird.

Walzenstühle

Um 1830 verdrängten die ersten modernen Walzenstühle, den Steinmahlgang. 1906 wurden schließlich die ersten Walzenstühle aus  Eisen in der Rengnathmühle eingebaut.  Die Modernisierung versprach eine erhöhte Qualität des Mehls und Leistung.

In einem Walzenstuhl sind insgesamt vier Walzen. Die ersten zwei, welche auch Speisewalzen genannt werden, leiten das Mahlgut zwischen zwei geriffelte Hartgußwalzen bzw. Porzellanwalzen. Diese drehen sich mit unterschiedlicher Geschwindigkeit gegeneinander. Dadurch werden die Körner zerkleinert. Bis das Mahlgut hauchfein ist, muss der Vorgang mehrmals wiederholt werden.

Innerhalb des Walzenstuhls befinden sich noch zusätzliche Bürsten, die die Walzen sauberhalten. 


Schrotmaschine

Die Schrotmaschine gehört zu den Walzenstühlen.

Jedoch wird hier das Getreide geschrotet, d.h. das Getreide wird grob zerkleinert. Oft dient der Schrot (Name des Endprodukts) als Tierfutter.

Kleiesiebmaschine

Während des Zerkleinerns durch die Walzenstühle entsteht Kleie (siehe oben).

Die Kleiesiebmaschine sortiert diese Teile aus, damit das Endprodukt eine hohe Qualität hat.

Plansichter

Bevor das gereinigte Getreide weitergeleitet wird, wird das Gut durch den Elevator nach oben in den Plansichter geführt. 

Der Plansichter besteht aus 13 Siebkästen und ist freischwingend aufgehängt, damit ein Kurbelantrieb die Maschine in kreisende Bewegungen versetzt. Die Wirkung ist wie bei einem Handsieb. Mehl, Dunst und Grieße werden dabei nach unten gesiebt und leichte Teile, wie zum Beispiel Schalenteilchen, "schwimmen" oben auf. 

Die einzelnen Siebe liegen untereinander und sind je nach Feinheitsgrad dichter bespannt. Somit wird das Mahlgut in groben und feinen Bestand sortiert. Durch hölzerne Rohre gelangt das Gut zur nächsten Station. Entweder wird das Gut  weiter verfeinert oder es wird als Futtermittel oder Mehl abgepackt.


Verfeinern

Hier wird das Mahlgut wiederum in den Vorratsbehältern zwischengelagert, bevor es erneut in den Walzenstuhl gelangt. Danach wird das Gut durch einen Elevator zum Plansichter transportiert. Dieser Vorgang wird etwa sieben Mal wiederholt, bis alle Schalen entfernt worden sind und das Mehl fein genug ist.

Futtermischmaschine

Kleie und Getreideschrot wird hier zu Tierfutter vermischt.

Grießsiebmaschine und Mehlmischmaschine

Die vom Plansichter kommenden Grieße wird von Kleieteilchen gereinigt, indem die das Gut auf schräge Siebe geleitet wird, die eine Exzentermechanik bewegt. Bürsten verhindern das Verstopfen der Siebe. Staub und Kleieteilchen werden durch die Filteranlagen abgesaugt.

Falls vorhanden, werden die verschiedenen Mehlsorten in der Mehlmischmaschine vermischt, bevor es abgepackt wird.

Absacken und Verpacken

Unter der Grießsiebmaschine befindet sich die Absackung. Die verschiedenen Mehle werden dort in Säcke abgefüllt und gewogen. Diese Säcke werden bestempelt und wegtransportiert. Kamen die Säcke zurück zur Mühle wurden sie nur gereinigt und geflickt.  So konnten die selben Säcke jahrelang verwendet werden.


Kunstmühle

Neben den grade genannten Maschinen gibt es noch weiter Technikwunderwerke, die essentiell wichtig für den Müller waren. Daher kommt auch der Begriff "Kunstmühle", da durch diese Technik das Beruf des Müllers sehr erleichtert wurde. Folgende Erweiterungen halfen den Müller:

Antrieb

Die Rengnathmühle wurde bis 1916, also bis die erste Turbine eingebaut wurde, von Stirnkegelradgetrieben und Zahnrädern betrieben. Dieses Getriebe übertrug die Kraft des Wasserrads nun auf Transmissionswellen mithilfe von Riemenscheiben und Treibriemen. Die Größe der Riemenscheiben bestimmte die nötige Übersetzung der Kraft. Anfangs waren es Holzscheiben, später Scheiben aus Gusseisen. Die Treibriemen wurden aus Kernleder hergestellt.

Ohne diesen Antrieb konnte keine Maschine in der Mühle betrieben werden.

Elevator / Aufzug

Der Elevator diente als senkrechtes Förderband. Diese Technik wurde erstmals 1875 in den USA eingesetzt. In senkrechten Holzrohren verläuft ein langer Hanfgurt, auf welchem Becher im Abstand von 30cm befestigt sind. Angetrieben wird der Elevator im Elevatorkopf. Ohne einen Elevator war es unmöglich einen kontinuierlichen Betrieb zu führen. Eine wahre Kunst.


Der Aufzug erleichterte dem Müller so einige Arbeit. Denn man brachte die vollen Säcke vom zweiten Obergeschoss ins Erdgeschoss. Aber auch der Müller selber konnte damit schnell von einer Ebene zur nächsten kommen. Angetreiben wurde der Aufzug durch eine Fahrstuhlwinde (Bild), die sich im Dachgeschoss befindet. Die Fahrstuhlbühne ist an einem Gurt befestigt und wird durch das Steuerseil in Fahrt gesetzt. Beim kräftigen Ziehen des Steuerseils wird die Bremse aktiviert. Die Tragkraft betrug ca 250kg . Leider passierten durch Leichtsinn oftmals Unfälle, da die Traglast überschritten wurde. 

Filteranlagen

Um die Wärme aus dem Walzenstühlen abzuführen sind an ihnen Aspirationen angeschlossen. Mit dem Saugschlauchfilter werden Mehlstäube, die bei der Vermahlung entstehen, abgesaugt. Die Schläuche des Filters befinden sich in einem geschlossenen Schrank. Der Exhauster bildet in dem Schrank einen Unterdruck, wodurch die Luft von den Maschinen durch die Schläuche nachströmt. Staubteilchen bleiben in den Schläuchen und werden regelmäßig automatisch gereinigt. Dies geschieht, indem der Luftstrom umgekehrt wird: der Staub fällt von den Schläuchen nach unten in einen Sammeltrichter und wird dann in einem Sack aufgefangen.

Ohne die Filter wäre ein regelmäßiger Betrieb kaum möglich gewesen, da sonst die Brandgefahr durch den Staub in der Luft extrem hoch ist.